Werbung sollte vor allem eines sein: kreativ, originell, verkaufsfördernd. Aber bitte eines NICHT: sexistisch. Ist sie aber oft. Und weil uns das alle etwas angeht – die Werbetreibenden und die Werbekonsumierenden – wird im August der “zornige Kaktus” verliehen: der Negativpreis für besonders frauenfeindliche und sexistische Werbung. Vorschläge für die Nominierten können ab jetzt eingesendet werden!
Sexismus in der Werbung – uralt und urdoof
Sexistische Werbung gibt es überall: auf Werbeplakaten, in Anzeigen oder Werbespots, als Fotomotiv oder Slogan. Manchmal kommt es mir so vor, als würde auf jedem zweiten Plakat, das bei uns in der Stadt hängt, eine halbnackte Frau für ein Produkt werben, das so absolut gar nichts mit ihrem nackten Körper zu tun hat. Warum das so gemacht wird? Nun ja, weil die Philosophie “Sex sells” bei vielen Werbetreibenden leider immer noch sehr verbreitet ist. Und deshalb müssen nackte Körper her – wohlbemerkt nackte Frauenkörper, denn diese eignen sich ja schon seit jeher besonders gut als Lust- und Verkaufsobjekt. Wir leben schließlich in einer Gesellschaft, in der es normal und salonfähig ist, Frauen auf ihren – stets verfügbaren – Körper zu reduzieren und damit Geld zu machen.
Sexistische Werbung tut doch aber keinem weh, oder?
Ich selbst arbeite in der Werbebranche. Als Werbetexterin und Online-Redakteurin bin ich dafür zuständig, die Produkte und/oder Dienstleistungen meiner Kundinnen und Kunden zu verkaufen. Das tue ich in der Regel gerne, aber ich tue es nicht um jeden Preis. Werbung darf – meiner Meinung nach – vieles sein: originell, kreativ, abseits des Mainstreams, witzig, schräg, ironisch… Aber sie darf eines nicht sein: verletztend, gemein und menschenverachtend. Und genau dort liegt das Problem: Sexistische Werbung ist genau das. Sie verletzt Frauen, würdigt sie herab und festigt uralte Geschlechternormen und -klischees. Und dabei ist sie in den meisten Fällen nicht einmal originell, sondern total einfallslos.
Dass es sich bei dieser Einschätzung nicht nur um meine ganz persönliche “Befindlichkeit” handelt, zeigen Statistiken. Nicht umsonst sind die Beschwerden beim Deutschen Werberat, die sich um geschlechterdiskiminierende und sexistische Werbung drehen, im letzten Jahr so zahlreich gewesen wie nie zuvor! Und auch der Verein “pinkstinks” hat aus aktuellem Anlass den “Werbemelder” ins Leben gerufen: eine Werbestelle für sexistische und damit total nervige Werbung. Und auch der “zornige Kaktus” wird in diesem Jahr bereits zum vierten Mal vergeben: für frauenverachtende und sexistische Werbung.
“Love Sex – hate Sexism”
Für alle, die Kampagnen gegen sexistische Werbung als unnötige Zensur, einen Eingriff in die freie Meinungsäußerung oder einfach als ein bloßes “Sich anstellen von hässlichen, fetten Feministinnen” verstehen, ist dieser Aufkleber-Button von “pinkstinks” eine perfekte Entgegnung. Er klebt übrigens auf meinem Laptop, weil ich ihn so prima finde. Denn er macht deutlich, worum es geht!
- NEIN, es geht nicht darum, nackte Haut zu verbieten (weder nackte Frauenhaut, noch die von Männern) und
- NEIN, es geht auch nicht darum, jede Werbekampagne unter eine prüde Zensur zu stellen.
- JA, es geht darum, Werbung bunt und vielfältig zu betreiben, ohne dabei 50% der Bevölkerung zu beleidigen. Das sollte doch machbar sein, oder?
Wann ist Werbung denn dann überhaupt sexistisch?
Eine Frage, die oft gestellt wird. Die Antwort darauf ist im Grunde ganz einfach. Immer dann, wenn der Frauenkörper in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang mit dem beworbenen Produkt steht und lediglich instrumentalisiert wird, dann ist Werbung sexistisch.
Wenn ich also Bikinis verkaufen möchte und ein halbnacktes Model im Bikini zeige, dann ist das natürlich NICHT sexistisch!
Wenn ich aber ein Auto verkaufen möchte und auf dem Fotomotiv ist ein Wagen zu sehen, auf dem sich eine halbnackte Frau räkelt und darüber steht auch noch der Spruch: “Kommen Sie zu unserem Tag der offenen Tür und testen Sie all unsere Modelle. Wir garantieren Ihnen: Sie dürfen nicht nur gucken, sondern auch alles anfassen!” Dann ist das sexistisch. Ich gebe zu, dieses Beispiel ist extrem plakativ, aber so etwas gibt es en masse…:-(
Und das Problematische an solcher Werbung…
ist, dass Werbung einen riesigen Teil der Bilder und Botschaften ausmacht, die uns umgeben. Bilder, in denen Frauen als reines Lustobjekt dargestellt werden, Bilder, auf denen nackte Frauen angezogenen Männern gegenüberstehen – all das macht etwas mit unserem Denken. Es beeinflusst unser Unbewusstsein, es beeinflusst, wie wir unsere Welt wahrnehmen, abspeichern, verstehen und uns darin einordnen. Der Mann als handelndes, selbstbestimmtes und selbstbestimmendes Subjekt, die Frau als verfügbares, sexuelles Objekt – diese Botschaft wird abgespeichert und tief verankert. Und genau das ist das Problematische an sexistischer Werbung. Sie wirkt sich aus und tut ihren Teil dazu, dass in unserer Gesellschaft so viel Raum für sexuelle Belästigungen und Übergriffe bestehen kann.
Einsendungen für den zornigen Kaktus noch bis 24. Juni
Deshalb: Bitte hinschauen, GUTE Werbung einfordern und sexistische in ihre Schranken verweisen! Wie das geht? Ganz einfach: Wer eine Werbekampagne, ein Werbeplakat, einen Spot oder ähnliches für den zornigen Kaktus nominieren möchte, kann dies ab sofort tun (bis zum 24. Juni!). Einfach ein Foto oder einen Link an bl-referate@frauenrechte.de senden und schon ist man dabei! Voraussetzung ist, dass die eingesendete Kampagne aus diesem Jahr stammt, also aktuell ist. (Wer neugierig ist, was so alles im letzten Jahr eingesendet wurde, kann alle Einreichungen hier direkt bei “terre de femme” abrufen).
Und wer noch mehr zu dem Thema wissen möchte…
Für den gibt es in ein paar Wochen einen Radiobeitrag bei radio aktiv. Dann werde ich in der Sendung “nachgefragt” genau zu diesem Thema interviewt. Das genaue Sendedatum gebe ich natürlich rechtzeitig hier bekannt :-)!
Und sollten Sie noch weitere Fragen haben bzw. meine Dienste als Werbetexterin, Online-Redakteurin, Lektorin oder Moderatorin in Anspruch nehmen wollen, nehmen Sie einfach unverbindlich Kontakt zu mir auf. Ich freue mich auf Ihre Anfrage!